So ein Wirrwarr wäre im Fußball komplett undenkbar. Man stelle sich vor: Hansi Flick und seine Nationalmannschaft müssen in der WM-Qualifikation auf zahlreiche Bayern- und Dortmund-Profis verzichten, weil diese am selben Abend in der Champions League antreten.
Stattdessen füllt der DFB seine Mannschaft mit Spielern aus Freiburg, Mainz und Augsburg auf. Was im Sinne des sportlichen Wettbewerbs utopisch und absurd klingt, wird im für Terminchaos seit Jahren bekannten Basketball mal wieder Realität.
Beim Debüt von Bundestrainer Gordon Herbert spielt Deutschland am Donnerstag (19.00 Uhr/Magentasport) in Nürnberg gegen Estland – zum Auftakt der WM-Qualifikation für 2023 nicht dabei sein können die Profis des FC Bayern, die am selben Abend um 18.00 Uhr bei ZSKA Moskau spielen. Ebenfalls nicht nominieren kann Herbert: Alle sieben NBA-Akteure, die Spieler von Alba Berlin sowie die weiteren Profis, die bei ausländischen Clubs in der Euroleague aktiv sind.
Trinchieri mahnt
Die Situation stellt Vereine und Nationalteams gleichermaßen unzufrieden. Bayern-Trainer Andrea Trinchieri sagte in München: «Wir müssen ein Programm zusammenbekommen, das smarter ist, das alles berücksichtigt.» Für das «nie endende Thema» mahnte der Italiener an: «Das sollte aufhören.»
Etwas diplomatischer äußerte sich Chefcoach Herbert. «Es ist schwierig mit den Nationalmannschaftsfenstern während der Saison und dem Konflikt zwischen Fiba und der Euroleague. Aber als Trainer habe ich die Verantwortung, mich entsprechend anzupassen, wie die Situation ist», sagte der Bundestrainer der Deutschen Presse-Agentur. Viele Spieler bleiben ihm nicht übrig.
Am Montag hatte der Deutsche Basketball Bund (DBB) mitgeteilt, dass die Euroleague-Spieler «trotz anhaltender Bemühungen» wohl nicht zur Verfügung stehen. Auch nicht für das zweite Spiel am Sonntagabend in Polen, das terminlich machbar gewesen wäre, weil zumindest die nationalen Ligen für die WM-Qualifikation pausieren.
Dauerstreit Fiba vs. Euroleague
«Für Spieler, die in der Euroleague und dann den ganzen Sommer spielen, ist es wirklich viel. Da gerätst du dann in den Stress», sagte Herbert. Dauernd auflaufen, in allen Wettbewerben, an manchen Abenden bestenfalls an zwei Orten gleichzeitig: Das ist das Prinzip Basketball, über das sich der Weltverband Fiba und die Euroleague seit Jahren fetzen.
Gegen Estland müssen es daher Profis aus Bamberg, Frankfurt, Hamburg oder Crailsheim richten. «Das Positive ist, dass wir junge Spieler für Deutschland testen können. Sie bekommen eine Chance, sich in jungen Jahren zu präsentieren und Erfahrungen zu sammeln», sagte der 62 Jahre alte Herbert, der sich nicht groß über die widrigen Umstände beklagt, sondern einfach arbeitet. Das Ziel ist trotz aller Ausfälle klar: Eines von 32 WM-Tickets für 2023 in Japan, Indonesien und den Philippinen, für die es bis Februar 2023 zwei Gruppenphasen zu überstehen gilt.
DBB-Vizepräsident Armin Andres sieht die Gesamtsituation ebenfalls problematisch. Für Profis von Bayern oder Alba stehen erstmal 34 Bundesliga- und 34 Euroleague-Spiele an, im Anschluss die Playoffs, bevor es bald weiter zum Nationalteam geht. «Ich glaube, das Problem ist, dass alles auf dem Rücken der Spieler ausgetragen wird. Die haben kaum mehr Luft, sich die Erholungsphasen zu nehmen. Das wird in Zukunft ein Problem werden», sagte Andres. Der Trainer und der Funktionär ahnen: von dem Team, das am Donnerstag in der neuen Nürnberger Arena gegen Estland aufläuft, wird bei der Heim-EM im Sommer 2022 nicht viel übrig bleiben.