In die Freude über das Erreichen des Minimalziels mischte sich bei Deutschlands Basketballern die Angst vor dem nächsten prominenten Ausfall.
Dass der bei dieser EM bislang so stark und unbekümmert auftrumpfende Franz Wagner die Arena in Berlin nach dem 85:79 im Achtelfinale gegen Montenegro nur humpelnd verlassen konnte, trübte die gute Stimmung im deutschen Lager.
Auch am Sonntag gab es noch keine Entwarnung für den 21 Jahre alten Jungstar aus der NBA. «Ich kann es nicht beantworten. Wir werden morgen ein bisschen mehr wissen. Er hat einen verstauchten Knöchel – die Ernsthaftigkeit ist schwer zu sagen. Wir werden das morgen herausfinden», sagte Bundestrainer Gordon Herbert am Sonntag im Teamhotel in Berlin. Dort verfolgten Herbert und Co. am Abend auch das letzte Achtelfinale, bei dem Griechenland um NBA-Topstar Giannis Antetokounmpo mit 94:88 gegen Tschechien siegte. Die Griechen sind nun nächster deutscher Gegner.
Wagner war im dritten Viertel umgeknickt. Zwar verwandelte der NBA-Akteur von den Orlando Magic noch seine drei Freiwürfe, danach verließ er aber das Parkett und kehrte nicht mehr zurück. «Nach einer ausführlichen bildgebenden Diagnostik im Unfallkrankenhaus Berlin am späten gestrigen Abend befindet sich Franz Wagner weiterhin in Behandlung durch den medizinischen Staff des DBB. Der weitere Verlauf bleibt abzuwarten», teilte der Deutsche Basketball Bund am Sonntag lediglich mit. Am Montag dürfte es weitere Neuigkeiten geben.
Wagner-Einsatz fraglich
Für das Viertelfinale am Dienstag (20.30 Uhr/Magentasport) wäre sein Mitwirken maßgeblich. Immerhin zeigten die ersten MRT-Bilder keine gravierende Verletzung. Letztendlich werden aber auch die Orlando Magic, deren Physio das deutsche Team und Wagner diesen Sommer extra begleitet, mit darüber entscheiden, ob weitere Einsätze von Wagner bei dieser EM infrage kommen. «Wenn er nicht spielt, müssen wir einen Ersatz finden», ordnete Herbert ein. Schröder freut sich so oder so auf das große Spiel. «Das wird eine geile Challenge sein, wir nehmen das mit Stolz», sagte der Kapitän.
Wagner, dessen Glanzstück ein 32-Punkte-Spiel gegen Litauen war, ist bisher einer der absoluten Leistungsträger der Gastgeber. Schon vor dem Turnier hatte Bruder Moritz Wagner für die EM absagen müssen. Auch wichtige Spieler wie Maximilian Kleber, Isaac Bonga, Tibor Pleiß oder Isaiah Hartenstein fehlen aus den unterschiedlichsten Gründen. Gegen Montenegro musste zudem Nick Weiler-Babb wegen Problemen mit der Schulter passen, auch sein Einsatz ist offen. Johannes Voigtmann spielte etwas kränklich, soll aber bis zum nächsten K.o.-Duell wieder fit und an Bord sein.
Die zwei freien Tage bis zum Viertelfinale kommen für das Team um Kapitän Dennis Schröder deshalb sehr gelegen. Das für Sonntagabend angesetzte Training wurde abgesagt, Schröder und Co. sollen Kraft tanken für die nächste große Herausforderung. «Das hilft uns sehr. Der Gegner spielt morgen erst, von daher haben wir wohl die frischeren Beine», sagte Alba Berlins Johannes Thiemann. Mit aufgeladenen Akkus soll danach der große Coup gelingen, denn den Einzug ins Viertelfinale tat Herbert als Selbstverständlichkeit ab.
«Wir erwarten noch mehr»
«Das ist das, was wir erwartet hatten. Aber unsere Erwartungen gehen noch weiter. Wir haben erwartet, in Berlin zu sein, wir haben erwartet, in Berlin zu gewinnen. Und wir erwarten noch mehr», sagte der Coach nach der kuriosen Partie gegen Montenegro, die eigentlich aus «zwei Basketballspielen in einem» bestand, wie Herbert treffend analysierte.
In der ersten Halbzeit trumpfte das deutsche Team ganz stark auf und führte zur Pause mit 24 Punkten (48:24). Schröder zeigte seine bislang beste Turnier-Leistung und überzeugte als Scorer und Vorlagengeber. Auch der Rest wirkte sehr fokussiert und hatte richtig Lust auf Basketball. Angesichts der zwischenzeitlichen Führung mit 27 Punkten zu Beginn der zweiten Halbzeit kehrte dann der Schlendrian ein, so dass Montenegro noch einmal auf drei Punkte herankam (80:77). Wirklich in Gefahr geriet das Weiterkommen aber nicht mehr.
Doch um wirklich am Wochenende um die erste Medaille seit 17 Jahren, als Dirk Nowitzki Deutschland in Serbien zu Silber führte, mitspielen zu können, werden sich Schröder und Co. steigern müssen. «Wir müssen als Team Deutschland spielen. Wenn wir das machen, haben wir gezeigt, dass wir gegen jede Mannschaft gewinnen können», sagte Schröder.
Hoffen auf mehr Fans in Berlin
Eine Steigerung erhoffen sich die deutschen Basketballer auch von den Fans in Berlin. Nach den Festtagen bei der Vorrunde in Köln waren die Spieler etwas verwundert, dass die Halle beim ersten K.o.-Spiel in Berlin nicht ausverkauft war. «Hoffentlich sind beim nächsten Mal etwas mehr Fans da. Es wäre cool, wenn die Halle komplett voll wäre», sagte Maodo Lo.
«Köln war sehr stark, das hat uns sehr gepusht. Heute waren hier und da ein paar leere Plätze, es war in einigen Phasen etwas still», sagte der Point Guard von Alba Berlin angesichts von nur 12 938 Zuschauern in der 14 500 Besucher fassenden Mercedes Benz-Arena. Mit Blick auf das Viertelfinale am Dienstag richtete sich Lo direkt an die Basketball-Fans aus seiner Heimatstadt. «Ich appelliere als Berliner: Zeigt doch, woraus wir geschnitzt sind. Und unterstützt uns, damit wir eine gute Chance haben.»