Hinter Basketball-Bundestrainer Henrik Rödl liegen einige turbulente Tage.
Die umstrittene Nominierung von Joshiko Saibou, die Absage des letzten Testspiels gegen den Senegal und dann noch die Absage von Dennis Schröder – die Vorbereitung auf das wichtige olympische Qualifikationsturnier verlief alles andere als reibungslos. Dennoch freut sich Rödl auf Split und spricht im Interview der Deutschen Presse-Agentur über die Chancen, das Team und seine persönlichen Olympia-Erlebnisse.
Herr Rödl, in der Vorbereitung auf das Turnier in Split gab es viele Rückschläge. Wie gut kann das Team überhaupt vorbereitet sein?
Henrik Rödl: Ich denke, dass wir allen Widrigkeiten zum Trotz insgesamt gut vorbereitet sind. Alle sind mit großem Eifer dabei und wollen sich die großen Traum von Olympia erfüllen. Wir freuen uns, jetzt hier in Split zu sein und werden alles geben, um erfolgreich zu sein.
Nach den Diskussionen um Joshiko Saibou und der Absage des Testspiels gegen den Senegal sagte kurz vor dem Abflug mit Dennis Schröder auch noch der beste Spieler ab. Wie hat die Mannschaft diese Hiobsbotschaft weggesteckt?
Rödl: Soweit ich das bislang beurteilen kann, haben die Jungs das sehr gut verarbeitet. Natürlich kam das für alle am Freitag sehr überraschend, ich hatte auch nicht mehr damit gerechnet, dass das passieren könnte. Aber wir hatten dann einen langen Reisetag, an dem die Jungs viel miteinander sprechen konnten und ich denke, das Thema ist jetzt erledigt. Ich bin überzeugt davon, dass die Mannschaft dadurch noch enger zusammenrücken wird.
Hätte man die Angelegenheit nicht viel früher klären müssen und nicht erst kurz vor der Abreise?
Rödl: Das kann ich nicht beantworten. Es hat am Ende halt nicht funktioniert. Ich muss aber sagen, dass man vollstes Verständnis für Dennis haben muss. Er hat es auch sehr gut gemacht und die Mannschaft selbst informiert. Das war stark. Jetzt gilt es, nach vorne zu blicken. Nun kommt es in der Rollenverteilung auf andere an.
Wer ist nach der Absage von Dennis Schröder denn nun besonders gefordert?
Rödl: Dennis war natürlich eine absolute Schlüsselfigur, mit ihm fehlt uns einer der besten Spieler der Welt auf dieser Position. Wir werden das als Team im Kollektiv auffangen müssen, da sehe ich jetzt nicht den einen Spieler.
Beim Supercup in Hamburg war auffällig, wie sehr Johannes Voigtmann von der Center-Position aus das Spiel gelenkt hat. Ist er jetzt einer der Schlüsselspieler?
Rödl: Jo hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt, mit ZSKA Moskau in der Euroleague auf allerhöchstem Niveau gespielt. Natürlich ist er wichtig für uns, das wäre er aber auch mit Dennis gewesen. Auch wenn Dennis dabei gewesen wäre, hätten wir die große Spielintelligenz von Jo versucht, für uns zu nutzen.
Maodo Lo, Niels Giffey und Johannes Thiemann sind auch erst sehr spät zur Mannschaft gestoßen. Kann das Berliner Trio bis zum ersten Spiel gegen Mexiko am Dienstag überhaupt schon voll integriert sein?
Rödl: Da das Senegal-Spiel abgesagt wurde, hatten wir keine Zeit, mit ihnen zu proben. Sie haben aber alle an die 80 Spiele in dieser Saison absolviert und hatten nur eine kurze Pause. Von daher sind sie im Rhythmus, da mache ich mir wenig Sorgen. Es war wichtig, dass sie die Chance hatten, nach der langen Saison zumindest ein bisschen runterzukommen. Vor allem Johannes Thiemann konnte sich gut behandeln lassen, das war wichtig.
Durch die Absage von Dennis Schröder wird Joshiko Saibou viele Spielanteile bekommen. Dass er dabei ist, hat für viel Kritik gesorgt. Hätte man seine Nominierung nach dessen Auftritten bei Anti-Corona-Demonstrationen nicht anders händeln müssen?
Rödl: Ich glaube, es ist genug über das Thema gesagt worden. Joshiko hat sich geäußert, auch die Mannschaft hat mit ihm gesprochen. Er hat sich gut eingebracht und beim Supercup gezeigt, wie wertvoll er für uns sein kann. Damit sollte das Thema erledigt sein.
In der Vorrunde geht es gegen Mexiko und Russland, der große Favorit Kroatien könnte dann im Halbfinale oder Finale warten. Wie schätzen sie die Gegner ein?
Rödl: Mexiko hat eine sehr erfahrene Mannschaft mit guten Guards, die insgesamt sehr gut organisiert ist. Russland verfügt natürlich über sehr viel Erfahrung, hat viele Spieler, die in der Euroleague aktiv sind. Mit Timofei Mosgow haben sie zudem eine russische Legende dabei. Topfavorit ist aber ganz sicher Kroatien, auch wegen des Heimvorteils.
Sie waren 1992 als Spieler schon einmal bei Olympia dabei. Welche Erinnerungen haben Sie daran und was macht Olympia so besonders?
Rödl: Für mich war es eines der größten Erlebnisse meiner Karriere. Es ist eine Riesenehre, Teil des Teams Deutschlands mit all den Athleten aus anderen Sportarten zu sein. Die Eröffnungsfeier, das Leben im Dorf, da sind viele Bilder hängen geblieben. Deshalb will ich als Trainer auch unbedingt noch einmal dahin.
Zur Person: Henrik Rödl (52) ist seit 2017 Bundestrainer. Zuvor arbeitete er als Coach bei Alba Berlin und TBB Trier. Als Spieler war er von 1993 bis 2004 einer der prägenden Profis bei Alba. Mit dem deutschen Team nahm er 1992 zudem an Olympia in Barcelona teil.