Über Dennis Schröder verliert in den begeisternden Basketball-Tagen von Köln und Berlin keiner ein schlechtes Wort.
Bundestrainer Gordon Herbert nannte Schröders Ernennung zum Kapitän vor der EM «eine der einfachsten Entscheidungen», die er jemals treffen musste. Für Maodo Lo kann sich Basketball-Deutschland «glücklich schätzen, einen Dennis Schröder zu haben». Und Youngster Justus Hollatz nannte den Routinier mit großer NBA-Erfahrung «als Anführer supergut» und «einen super Menschen».
Schröder blüht auf – und hadert mit seinem Wurf
Vor dem EM-Achtelfinale am Samstag (18.00 Uhr/Magentasport) in Berlin gegen Außenseiter Montenegro ist Schröder zum Chef des Nationalteams avanciert – auf dem Platz und daneben. Mit der vom aussortierten Routinier Robin Benzing übernommenen Kapitänsrolle blühte der 28 Jahre alte Spielmacher in den vergangenen Wochen richtig auf. Schröder trägt als Point Guard die Hauptverantwortung, er nimmt diese Rolle voll an. Seine eigene Leistung bewertet er kritisch, nach schwierigen Situationen gibt es kein Verstecken mehr.
Bestes Beispiel war die Vorrunden-Niederlage in Köln gegen Slowenien mit NBA-Star Luka Doncic. Schröder flog nach einem technischen und einem unsportlichen Foul vorzeitig vom Parkett. Doch statt sich danach wortlos in die Kabine zu verziehen, ließ sich Schröder extra in die Pressekonferenz berufen, um dort seine Sicht der Dinge zu erklären. «Wir brauchten auch mal eine Niederlage», sagte Schröder, der seine Kollegen in den EM-Tagen von Köln stets lobte und bei sich selbst vor allem die Wurfquote und Wurfauswahl hinterfragte.
Beim Trainer und dem Team steht Schröder hoch im Kurs. «Dennis und ich kennen uns schon seit der U18 in Braunschweig, bisschen mehr als zwölf Jahre. Da gibt es ein blindes Verständnis auf dem Feld», sagte Daniel Theis am Freitag in Berlin. Coach Herbert will seinen Führungsspieler weiter als Punktesammler sehen: «Ich sage ihm, weiter werfen. Wenn du Probleme hast, musst du aggressiv bleiben. Er hat einige wichtige Würfe für uns schon getroffen», sagte der 63-Jährige.
Schröder sucht neuen NBA-Club
Für Schröder läuft derzeit eine Art Bewerbungstour, um nach der EM im Oktober wieder in der besten Basketball-Liga der Welt spielen zu können. In der NBA lief er zuletzt für die Boston Celtics und die Houston Rockets auf, doch der Vertrag ist ausgelaufen. Nun dürfte es auf eine Anstellung zu geringeren finanziellen Konditionen herauslaufen. Zuletzt wurden Schröders Ex-Club Los Angeles Lakers und die Dallas Mavericks, der Herzensclub von Dirk Nowitzki, als Interessenten gehandelt.
Die für den späten Zeitpunkt ungewöhnliche Vereinssuche will Schröder bei der EM nicht kommentieren. «Mein Berater macht schon seinen Job, der telefoniert mit allen Teams. Ich lasse ihn seinen Job machen und ich mache meinen hier», sagte Schröder unmittelbar vor dem Start. Seitdem macht der gebürtige Braunschweiger, der seine langfristige Zukunft nach der Karriere in Deutschland sieht, sportlich auf sich aufmerksam.
Schröder war in Deutschland lange umstritten
Schröder steht bei rund 18 Punkten und sieben Vorlagen im Schnitt, war in der EM-Vorrunde im Kreis der auffälligsten Akteure. «Er ist einer der besten Point Guards weltweit. Er führt uns an und führt uns zu Siegen. Es macht mir Spaß, mit ihm zusammenzuspielen», sagte Lo über Schröder, der nach dem Vorrunden-Aus bei der Heim-EM 2015 sowie dem Vorrunden-Debakel bei der WM 2019 in China noch als Sündenbock herhalten musste. Mit seinem teils ungewöhnlichen Auftreten war er nicht unumstritten.
Das sieht nach vier Siegen in Köln diesmal anders aus. Auch das euphorische Publikum in der Lanxess Arena feierte den Anführer mit Herz ausgelassen und lautstark. Im letzten Gruppenspiel war Schröder von Chefcoach Herbert geschont worden, um nach der Knöchelverletzung in der Vorbereitung nichts zu riskieren. Gegen Montenegro am Samstag soll er mit seinem Tempo und seiner Explosivität wieder Lücken in die gegnerische Defensive reißen und das deutsche Team ins Viertelfinale führen.
Mit Blick auf diese EM ist es erstaunlich, dass Schröder bislang keinen Arbeitgeber in der NBA findet, doch sein Spiel hat seit Jahren offensichtliche Schwächen. Der 28-Jährige wirft zu viele Dreier bei zu schlechten Quoten und leistet sich häufig Ballverluste. Beides war auch in Köln zu erkennen, wenngleich seit dem durchwachsenen Start gegen Frankreich Besserung eintrat. Teamintern zeigt Schröder ganz andere Qualitäten. «Er macht auch mal einen Witz, dass ich lockerer werde. Er hat da schon ein gutes Feingefühl», sagte Hollatz.