Im Charterflieger Richtung Philippinen ließen die deutschen Basketballer Japans Trauminsel und zwei perfekte Wochen hinter sich.
Den neuen WM-Goldkandidaten um Starspieler Dennis Schröder erwartet bei der Finalrunde in Manila ein krasser Kontrast: Auf die herrlichen Strände, die bestens gelegene Promenade und die beschauliche Ruhe in Okinawa folgt die Riesenmetropole. Es wird laut, stickig, hektisch und schwül. Doch auch die neuen Umstände sollen das extrem selbstbewusste Team von Bundestrainer Gordon Herbert auf dem Erfolgsweg in Asien nicht stören.
Rückkehr von Franz Wagner zieht sich
«Ich bin nicht zum Sightseeing hier. Ich will zocken, ich will eine Medaille gewinnen. Das heißt: Ich nehme, was kommt. Die Spiele nehme ich sehr, sehr ernst, und den Rest will ich genießen», sagte NBA-Profi Moritz Wagner über den vom Turnierplan verordneten Tapetenwechsel. Im sonnigen Okinawa, wo Deutschland die makellose Bilanz von fünf Siegen in fünf WM-Spielen hinlegte, schlenderten die Wagner-Brüder Moritz und Franz gerne mit ihren Eltern vorbei an Souvenirshops und Bäckereien. Kapitän Schröder schob mit Frau Ellen abends gemütlich den Kinderwagen an der Promenade entlang.
Freizeit war nach der Landung auf den Philippinen eh nicht angesagt. Noch am Reisetag ließ Herbert sein Team – auf optionaler Basis – in der Mall of Asia Arena zusammenkommen und schwitzen. Kapitän Schröder trainierte als einziger Profi oberkörperfrei, sein zuletzt schmerzender Rücken scheint ihm vor den großen K.o.-Spielen keine Probleme mehr zu machen. Bei Jungstar Franz Wagner, der weiter nicht ins Kontakttraining einsteigen kann, sieht die Sache anders aus. «Er will spielen. Er ist ziemlich frustriert und enttäuscht, dass er nicht spielen kann. Er will unbedingt zurückkehren», sagte Herbert. Wagner nahm in der Halle immerhin ein paar Würfe. Die Rückkehr des 22-Jährigen zieht sich weiter.
So entspannt wie in Okinawa wird der ganze Ablauf im 25-Millionen-Einwohner Großraum Manila, in dem bis zum Finale am Sonntag täglich heftige Schauer gemeldet sind, wohl nicht – das machte Tag eins inmitten von Stau und unzähligen Menschen deutlich. Und auch sportlich wird der Wettbewerb deutlich härter. Brachten Vor- und Zwischenrunde bislang einen Modus mit sich, der auch mal eine Niederlage erlaubte, gilt nun: siegen oder scheitern.
«Do or die»
«Die Gruppenspiele sind vorbei, jetzt heißt es: do or die», fasste Herbert zusammen. Im ersten deutschen WM-Viertelfinale seit 2006 geht es am Mittwoch (10.45 Uhr/Magentasport) gegen Außenseiter Lettland. «Wir haben viel Vertrauen in uns selbst. Wenn wir uns nicht von unserem Weg abbringen lassen, dann ist viel möglich», sagte Moritz Wagner. Konkret: die erste WM-Medaille seit 21 Jahren oder gar der erste WM-Titel der Verbandsgeschichte.
Vor dem Weiterflug auf die Philippinen, auf den Schröder diverse japanische Gastgeschenke für seine drei Kinder mitnahm, hatte Deutschland seine Zwischenrunden-Gegner dominiert. Georgien (100:73) und Slowenien (100:71) waren chancenlos. NBA-Star Luka Doncic dürfte auf dem rund zweieinhalbstündigen gemeinsamen Charterflug am Montag noch immer von der Defensive der Deutschen beeindruckt gewesen sein. «Großes Lob an alle, die in der Kabine sind. Jeder packt sein Ego für das Team zur Seite. Und jeder lässt mich auch das Team anführen», lobte Schröder.
Im Flugzeug nach Manila besetzten die Slowenen eine Seite und die Deutschen die andere. Der Sieg im Gruppenfinale hatte für Deutschland auch einen praktischen Wert: Während Doncic und Co. im Viertelfinale gegen das NBA-Starensemble aus Kanada antreten müssen, ist Deutschland gegen die Letten ohne deren Aushängeschild Kristaps Porzingis deutlich favorisiert. Nach drei schwächeren ersten Halbzeiten kritisierte Führungsspieler Schröder auf hohem Niveau: «Wir müssen einen besseren Start haben und von Anfang an ready sein. Wir müssen in der Verteidigung noch etwas besser werden.» Nur Deutschland und Litauen reisen mit perfekter Bilanz zur Endrunde.
Keine Sanktionen für Schröder nach Zwist
Schröders Zwist mit Daniel Theis und Bundestrainer Herbert vom Sonntag soll im weiteren Turnierverlauf keine Rolle mehr spielen. «Jeder hört jedem zu, und das zeichnet uns aus», sagte der 29-Jährige. Auch Sanktionen für Schröder soll es wohl nicht mehr geben, Herbert pochte bei dem bemerkenswerten Vorfall auf eine interne Klärung.
Bei einem Sieg über Lettland könnte es an diesem Freitag zu einem Halbfinal-Duell mit Olympiasieger USA kommen. Dann wäre nicht nur die Medaille greifbar, sondern auch ein direktes Olympia-Ticket für Paris im kommenden Jahr. Ein Halbfinal-Einzug würde dafür bereits reichen, wenn die USA (gegen Italien am Dienstag) und Kanada (gegen Slowenien am Mittwoch) ihrer Favoritenrolle im Viertelfinale gerecht werden.