Phasenweise hatte es den Eindruck, als würde Franz Wagner durch die Arena schweben. Die Arme als Flügel zur Seite gestreckt ließ sich der NBA-Profi von den völlig euphorisierten Fans in der Kölner Arena tragen.
Wieder und wieder wiederholte sich diese Szene beim Basketball-Spektakel gegen Litauen, bei dem der wenige Tage vor der Europameisterschaft gerade einmal 21 Jahre alt gewordene Wagner an den jungen Dirk Nowitzki im Nationaltrikot erinnerte. «Der Typ ist geisteskrank, so muss man das einfach sagen», lobte Routinier Johannes Thiemann den Senkrechtstarter der Orlando Magic nach dessen 32-Punkte-Gala gegen den EM-Mitfavoriten.
Alles, was ein Weltklassespieler können muss
Wagner zeigte gegen Litauen das komplette Paket seines Könnens. Der gebürtige Berliner traf aus der Mitteldistanz, attackierte den Ring und war auch von der Dreierlinie erfolgreich. Hinten schockte er die litauischen Riesen mit einem Monsterblock und war sich auch für die Drecksarbeit in den intensiven Duellen unter dem Korb nicht zu schade. Kurzum: Wagner zeigte alles, was ein Weltklassespieler können muss.
«Was Franz heute gemacht hat, war unglaublich», lobte Kapitän Dennis Schröder. «Er ist sehr, sehr jung, aber wie er seinen eigenen Wurf kreieren und wie er dem Team in der Defensive helfen kann, das ist stark», sagte der Point Guard. «Wenn er so weiter macht, dann wird er ein ganz Großer.»
Superstar Nowitzki, mit dem Wagner nach seiner Super-Performance unweigerlich verglichen wurde, hatte das bereits im Vorfeld der für das deutsche Team bislang so erfolgreichen EM prophezeit. «Er ist ein toller Allroundspieler und das in seinem Alter», sagte der 44-Jährige, der die EM als Turnierbotschafter eng verfolgt. «Es wird uns noch eine Menge Spaß bringen in den kommenden Jahren.»
«Es war geil, das hat viel Spaß gemacht»
Dem so Hochgelobten waren all die positiven Kommentare fast ein bisschen peinlich. Erstaunlich ruhig und sachlich trat Wagner nach seinem erst achten Länderspiel vor die Kameras. «Jeder kennt es, der schon mal Sport gemacht hat. Wenn man seinen Instinkten folgt, dann geht alles etwas leichter von der Hand», analysierte Wagner, der in den bisherigen drei Partien im Schnitt starke 19,3 Punkte erzielte.
«Es war geil, das hat viel Spaß gemacht», war schon das euphorischste, was sich Wagner entlocken ließ. Das verschmitzte Lächeln, das immer wieder in sein Gesicht huschte, zeigte aber, dass der Tag in der mit 18.017 Zuschauern erneut ausverkauften Kölner Lanxess Arena doch ein ganz besonderer für ihn war.
Der Blick im Team geht nach Berlin
Doch damit wollen sich Wagner und Co. nicht zufrieden geben. Zwar stehen mit dem Kräftemessen gegen Titelverteidiger Slowenien mit NBA-Superstar Luka Doncic am 6. September (20.30 Uhr/Magentasport) und dem Vorrunden-Abschluss gegen Ungarn am Mittwoch noch zwei Partien im längst Basketball verrückten Köln an. Der Blick im deutschen Team geht aber längst nach Berlin, wo ab Samstag die Endrunde ausgetragen wird.
«Ich komme aus Berlin, habe jetzt drei Jahre da nicht mehr gespielt. Von daher ist es supercool, jetzt als Nationalspieler zurückzukommen und da zu spielen», sagte Wagner vor der Reise in seine Geburtsstadt. Auch dort will er dann wieder wie der junge Nowitzki durch die Halle schweben und dabei mithelfen, die erste Medaille seit 17 Jahren zu gewinnen.